LESEPROBE Geht´s noch / Susanne Kristek

AUSGELADEN

 

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Martina: Hast du schon geschrieben heute?

Susanne: Nein! Es war ein Tag aus der Hölle! 👹💩

Martina: Was war?

Susanne: Alles! Arbeit, Meetings, Zahnspangentrauma … jetzt war ich noch mit Hansi was trinken. Bin grad am Heimweg in der U-Bahn … 🤪 🤪  🤪

Martina: Mit wem?

Susanne: Ah so, du kennst ihn ja nur unter seinem Pseudonym

Joe … Der von der Premierenlesung. Wo wir mit den Knotzers was trinken waren.

Martina: Ah, der mit den Wien-Krimis im Self-Publishing-Verlag?

Susanne: Ja, genau.

Martina: Sag ihm schöne Grüße!

Susanne: Lieber nicht. Sonst will er gleich eine Kooperation

mit dir machen, eine gemeinsame Lesung, oder er möchte ein Zitat von dir auf der Rückseite seiner Bücher.

Sofort habe ich ein schlechtes Gewissen, wenn ich so über ihn ablästere. Immerhin hilft er mir jetzt auch mit dem Kontakt zu Mucki-Mandy.

Martina: Aber wenn du gleich daheim bist, kannst du ja heute noch schreiben! Der Schreibmuskel muss trainiert werden!

Susanne: Ich glaub, ich bin zu betrunken dafür …

Martina: Okay – aber morgen wird geschrieben! So viel Zeit ist nicht mehr bis zu deiner Abgabe!

Martina: Was ist übrigens mit Leipzig??? Hast du jetzt schon endlich deine Termine?

Susanne: Ich bin wieder ausgeladen …

Kaum habe ich den Satz fertig getippt, läutet mein Handy. Martina ruft an.

Susanne: Ich kann nicht teln. U-Bahn

Martina: Aber was heißt AUSGELADEN??????????

Susanne: Der Verlag hat nachgefragt, wann jetzt mein Lesungstermin genau ist.

Martina: Und?????

Susanne: Dann haben sie (Messe? Keine Ahnung, wer das überhaupt entscheidet? Bürgermeister von Leipzig? Egal …) geschrieben, dass es wohl ein Irrtum war. Ich bin nicht eingeplant.

Martina: Oh nein!! Du musst nach Leipzig mit! 😭😭

Susanne: Ja, mitfahren kann ich eh. Ich habe ja kein Betretungsverbot. Nur lesen darf ich nicht.

Martina: Egal, dann liest du eben bei mir mit!

Susanne: Das ist ur lieb von dir, aber das geht wirklich nicht.

Susanne: Du kannst ja nicht einfach jemanden mitbringen zur Lesung … außerdem ist das deine Show! Ich werde im Publikum ganz vorne sitzen und dir zujubeln!

Martina: Das sind Trottel. Ärgere dich nicht.

Susanne: 😘

Martina: Mir ist grad was eingefallen.

Martina: Spitzen Idee! Ich habe ja nicht nur die offizielle Lesung auf der Messe, sondern bin auch noch von der Tyrolia Buchhandlung zu einer speziellen Lesung eingeladen.

Susanne: ?

Martina: Ich frag einfach die Tyrolia Menschen, ob die uns auch zu zweit wollen!

Susanne: Und was ist eine »spezielle« Lesung?

Martina: Eine Lesung vor einer Busreisegruppe!!

 

Gerade als ich fragen will, was eine Lesung vor einer Busreisegruppe sein soll, geht mein Akku aus. Verdammt. Ist das so was wie eine Heizdeckenfahrt von Tirol zur Lesebühne, wo

man danach in das Hinterzimmer von einem Gasthaus eingesperrt wird und bei einem sehr schlechten Schnitzel gezwungen wird, Bücher zu kaufen? Oder ist man da wie so ein Reiseleiter die ganze Busfahrt hindurch dabei?

Ich will »Lesung Busreisegruppe« googeln, aber mein Akku ist ja aus. Nicht mal zehn Sekunden konnte ich mir das merken. Es wird irgendwie immer schlimmer mit meinem Hirn.

Blöd ist auch, dass ich Conni eigentlich ja noch mal anrufen wollte, ob das eh klargeht, dass ich mir den Laptop aus ihrer Wohnung hole. Sie hat bisher nicht auf meine Nachrichten und Anrufe reagiert. Also bleibt mir wohl nix anderes übrig, als ohne ihr Wissen in ihre Wohnung zu gehen.Es ist gar nicht so einfach, die Haustür von Connis Haus zu öffnen. Es ist stockdunkel, und ich habe einen leichten Damenspitz. Ein paar Eierlikör weniger hätten es auch getan, und der Marillenschnaps am Ende wäre auch entbehrlich gewesen. Auf drei Stunden lustiges Vergnügen werden drei Tage Reue mit

Kopfweh und latenter Übelkeit folgen. 

Endlich geht die schwere Tür auf, und ich stehe im Eingangsbereich von einem typischen Wiener Gründerzeithaus. Ich hatte nur vergessen oder verdrängt, wie schmuddelig das Haus ist. Überall bröckelt der Putz von den Wänden und bleibt lieblosund unaufgeräumt einfach am Boden liegen. Es ist kalt, modrig und staubig wie auf einer Abrissbaustelle. Die Briefkästen gleich beim Eingang sind zur Hälfte verbogen oder beschmiert. Auf der Wand daneben ist noch ein kleines Stück einer ehemaligen Marmorvertäfelung zu sehen. Der Lack ist hier schon sehr lang ab. Ein typisches Haus, wo die Eigentümer vor Jahren aufgehört haben zu investieren und angefangen haben, darauf zu warten, bis die letzten Mieter endlich mehr oder weniger freiwillig aus dem Haus ausziehen.

Am Weg zu Connis Wohnung in den vierten Stock versuche ich, nicht am völlig staubigen Geländer anzukommen. Bis zum zweiten Stock gelingt mir das gut, dann muss ich mich doch schnaufend daran abstützen. Im dritten Stocke muss ich überhaupt kurz pausieren. Meine Kondition ist völlig im Arsch. Ich drehe an dem historischen Wasserhahn, um mich zu erfrischen, aber es kommt kein Wasser. Die zweite Option wäre, mich zu übergeben, die Kombi Cola-Rot, Kaffee, Eierlikör und Schnaps war wirklich die dümmste Idee ever.

»Suchen Sie hier jemand Bestimmten?« Die strenge Stimme einer älteren Dame lässt mich hochschrecken, beinahe hätte ich mir den Kopf am Wasserhahn angeschlagen dabei. Die Frau streckt ihren Kopf neugierig aus einer Wohnungstür.

»Nein, vielen Dank, ich komme zu meiner Freundin Conni in den vierten Stock«, keuche ich.

»Ah, zur Frau Professor geht es also. Ist ja ein reges Kommen und Gehen da oben.«

Ich ignoriere, dass sie ihr einen Titel verliehen hat, so ist das wohl, wenn man die Tochter von einem ehemaligen Professor ist. Und ich frage auch nicht, was sie mit »Kommen und Gehen« meint.

Connis Eingangstür ist eine typische Gründerzeit-Wohnungstür, dunkelbraunes abgesplittertes Holz und daneben ein vergittertes »Fenster« mit geriffeltem Glas in den ersten Raum. Diese Wohnungen haben in der Regel nur zwei Räume, wenn sie noch nicht renoviert sind. Nachdem ich endlich drinnen bin, sperre ich die Tür sicherheitshalber gleich von innen ab und taste nach dem Lichtschalter. Sofort wird die kleine Wohnung in warmes, weiches Licht gehüllt. Es gibt kein Vorzimmer, man steht gleich in der Küche,

die zugleich Badezimmer ist. Meinen Schlüsselbund lege ich auf die Abtropftasse vom Küchenwaschbecken, die Jacke hänge ich über die Wäschespinne. Überall sind Dinge. Töpfe, Häferl, Decken. Alles ist alt und war ganz bestimmt auch nicht teuer. Aber es ist liebevoll und höchst gemütlich zusammengestellt. Vielleicht liegt es auch an den vielen Büchern überall. Die alte Küchenkredenz, die Conni selbst cremeweiß gestrichen hat, ist voll mit Büchern und geblümten Oma Häferln.

Im Wohnzimmer, das zugleich Schlafzimmer ist, ist es erstaunlich unordentlich für Connis Verhältnisse. Kleidung hängt über dem Stuhl, Socken liegen vorm Bett. Die Tagesdecke ist nur halb übergeschlagen. Auf dem kleinen Glastisch steht ein Wasserglas – ohne Untersetzer! Der Firmenlaptop ist auf den ersten Blick nicht am Schreibtisch zu sehen, deswegen öffne ich die erste Lade von dem braunen Holzsekretär. Ein Stapel dicht beschriebener Blätter liegt drinnen. Ich kann darunter den gesuchten Laptop spüren. Als ich ihn aus der Lade rausziehe, fallen einige der beschriebenen Blätter auf den Boden und rutschen unter den Schreibtisch. Ich bücke mich, um die Zettel aufzuheben, und spüre, wie mir bei der Abwärtsbewegung massiv schlecht wird. Bitte nicht kotzen! Sicherheitshalber bleibe ich noch kurz am Boden hocken. Dann beginne ich zu lesen, was auf dem Blatt Papier steht.

»Juliette parkte ihren glänzenden Sportwagen etwas abseits des Müllplatzes, um nicht gesehen zu werden. Ihr Herz klopfte heftig, als sie den Kiesweg entlangging, der zwischen hohen Müllcontainern hindurchführte. Da stand er, Alex, mit bloßen, muskulösen Armen, die gerade eine schwere Tonne entleerten. Er war das genaue Gegenteil der Männer, die sie kannte: rau, kraftvoll und ungeschliffen. Er bemerkte sie, und sein staubiges Gesicht hellte sich mit einem schiefen Lächeln auf. »Du bist wirklich gekommen«, sagte er, seine Stimme rau vor Überraschung.

Juliette spürte, wie ihr Blut heißer durch ihre Adern floss. »Ich konnte nicht fernbleiben«, erwiderte sie leise und trat näher. Alex wischte sich mit dem Rücken seiner Hand über die Stirn, ließ dabei einen Streifen sauberer Haut in der Schicht des Staubs zurück.«

Das hat Conni geschrieben??? Was soll das sein? Ich greife mir ein weiteres halb beschriebenes Blatt und lese weiter.

»Ohne ein weiteres Wort ergriff er ihre Hand und zog sie hinter einen großen Container, wo sie vor den Blicken der Welt verborgen waren. »Hier sind wir ungestört«, raunte er, während seine Hände behutsam über ihren Rücken strichen, das feine Material ihrer Bluse zwischen seinen rauen Fingern. Juliette lehnte sich gegen die kühle Metallwand des Containers, die Luft um sie herum erfüllt von dem Geruch von Metall und Erde. »Lass uns das Beste aus unserer Zeit machen«, flüsterte sie, und im nächsten Moment waren ihre Lippen auf seinen, verzweifelt und fordernd.«

Das kann unmöglich Conni geschrieben haben. Sie lehnt alles Triviale ab. Ich ziehe mein Handy aus der Hosentasche, um sie anzurufen.

Es ist schwarz. Verdammt, Akku ist ja leer. Auch auf ihrem Schreibtisch sind keine weiteren Hinweise zu finden, was das für Texte sein sollen. Ich starre auf das Foto an der Wand hinter der Schreibmaschine, verblasst, in einem altmodischen Rahmen. Zwei Männer und ein kleines Mädchen. Conni, ihr Vater, der Herr Literaturprofessor, und Thomas Bernhard. Es ist das einzige Foto in der ganzen Wohnung.

Auf einmal höre ich, wie jemand einen Schlüssel ins Schloss steckt. Conni kann es nicht sein, Lindenhof ist locker sechs Stunden entfernt.

Blitzartig ist jeglicher Alkohol verflogen, und ich bin hellwach und im Alarmzustand! Verdammt! Ich habe zwar von innen abgesperrt, aber den Schlüssel nicht stecken lassen. Es gibt auch keinen Balkon oder Ähnliches als Fluchtweg. Wir sind im vierten Stock!

Der Schlüssel dreht sich im Schloss. Mir fällt nichts Besseres ein, als mich unter dem Schreibtisch zu verstecken. Also rutsche ich unter dem alten Sekretär ganz nach hinten und ziehe den Stuhl zum Schutz näher an mich heran. In dem Moment geht die Tür auf.

Ich höre Schritte. Die Wasserleitung in der Küche. Schluckgeräusche. Dann kugeln weiße Sneakers an mir vorbei. Sehr große weiße Sneakers. Was für Einbrecher trinken zuerst Wasser und ziehen sich dann noch die Schuhe aus?????

Dann quietscht das Bett, ein Körper lässt sich darauffallen.

Und jetzt? Was soll ich tun? Ich überlege, ob ich etwas eingesteckt habe, was ich als Lösegeld anbieten könnte. Die Visitenkarte von Herrn Franz, Postamtsdirektor im Ruhestand. Na toll. Sonst habe ich nix. Wie lange wird es dauern, bis meine Abwesenheit daheim auffällt? Morgen ist Schule. Also spätestens um 7 Uhr, wenn alle aufstehen, wird man mich vermissen und die Polizei rufen. Wird man????? Hoffentlich!

Noch mal quietscht das Bett. Der Einbrecher steht auf, die Schritte kommen näher. Ich kann einen Schatten am Boden erkennen. Dann wird ruckartig der Sessel nach hinten gerissen und ein männliches Gesicht erscheint wenige Zentimeter vor meinem und starrt mich mit weit aufgerissenen Augen an. »Und wer bist du jetzt??????«, fragt er mich.

Du willst wissen, wie es weiter geht? Dann check dir Susannes neuen Roman. Hier die Infos:

SUSANNE KRISTEK

GEHT’S NOCH?!

Roman

Als frischgebackene Bestsellerautorin sollte eigentlich alles rund laufen, oder? Von wegen. Susanne Kristeks Alltag ist alles andere als glamourös: Übernachtungen neben dem Kiffer-Shop, Selbstzweifel auf einsamen Landstraßen, gefloppte Lesungen, Verlagsdruck und die verrückte Suche nach der Muse auf einer Bus-Wallfahrt.
Das soll das Autorinnenleben sein, das sie unbedingt wollte? Und was ist sie bereit, dafür zu opfern? Ein humorvoller Blick hinter die Kulissen des Literaturbetriebs.

Geht´s noch

erscheingt am 12. Februar 2025

352 Seiten, 13,5 x 21 cm, Paperback, E-Book

16,50 €

ISBN 978-3-8392-0769-7

Martina Parker1 Comment